Der erste Mai ist in China ein Feiertag
– der Tag der Arbeit. Im Rahmen dieses Tages finden überall
Aufführungen und Veranstaltungen statt und in der Regel sind nach
diesem Tag ein paar Tage frei. Auch wir sollten dieses Jahr ein
Programmpunkt dieser Feierlichkeiten sein.
Ein Woch zuvor wurde uns angekündigt,
wir sollen aufgrund dieses Festes ein Lied mit den Lehrern der
Berufsschule einstudieren – je mehr kommen, desto besser. Also
erschienen 7 Freiwillige von uns und stellten bei der ersten Probe
fest: wir werden vor der Regierung in einer großen Konzerthalle ein
Lied auf den Kommunismus trällern! Nach drei Proben, standen wir
also in der Konzerthalle Liukus und sangen zusammen mit den Lehrern
dieses Lied. Dieses war ein Teil einer ganzen Aufführung, die als
einzigen Inhalt die tolle Regierung und das tolle Leben hatte. Das
ganze Programm erschien im Fernsehen. Da wir weder verstanden, was
wir dort sangen, noch dahinter standen, war es ein recht lustiger
abend und zur Belohnung konnten wir die freien Tage im Anschluss
genießen!
Jonas, Lina und ich entschieden uns, in
eines der abgelegensten Orte Chinas zu fahren. Das sogenannte
Dulongtal wurde erst vor 60 Jahren entdeckt, seit 10 Jahren führt
ein Weg dorthin. Hier wohnen auch die letzten 20 Frauen, deren
Gesicht traditionell bis 1940 tätowiert wurde. Wir sollten zwei
davon während unserer Reise sehen.Von Liuku aus brauchten wir zwei
Tage, um dorthin zu gelangen. Der erste Tag war eine achtstündige
Busreise nach Gongshan, eine Region nördich von Liuku an der Grenze
zu Tibet. Dort wohnen ebenfalls 7 Freiwillige von uns, die wir gleich
besuchten. Am zweiten Tag machten wir eine kleine Bustour zur ersten
und sehr bekannten Biegung des Nujiang-Flusses. Dort wanderten wir
ein bisschen und holten uns in fast 3000 Metern Höhe einen
ordentlichen Sonnenbrand!
Am Tag darauf fuhren wir dann zusammen
mit einer weiteren Freiwilligen aus Gongshan ins Dulongtal. Dort
gelangt man in der Regel nur mit speziellen Trucks, die
Geländetauglich sind, hin. Wir hatten allerdings Pech, bekamen
keinen Truck, sondern mussten mit einem stinknormalen Minibus – mit
Sommerreifen und ohne Profil – losfahren. Man erzähte uns, dass
erst zwei Wochen zuvor die Straße freigegeben wurde. Vorher
verhinderten die Schneemassen ein Durchkommen über den Pass. Doch
glücklicherweise wird zur Zeit ein Tunnel durch den Berg gebaut, der
das Hineinfahren ins Dulongtal erleichtern soll. So mussten wir nicht
außen herum fahren, sondern konnten durch den Tunnel fahren. Doch
dies verlief nicht völlig reibungslos: aus der anfänglich erhofften
einstündigen Wartezeit vor dem Tunnel wurden ganze sieben Stunden.
In der Zeit hatten wir nichts anderes zu tun, als mächtig im Schnee
zu frieren. Ein Tunnelarbeiter erzählte uns, die Watezeit sei
ungewiss – es könnte auch sein, dass man bis zum nächsten Tag
warten müsse. Dies läge daran, dass am Tag zuvor zu viele Autos
durch den Tunnel gefahren seien und nun einige Teile zerstört seien.
Nun müssen diese erst wieder aufgebaut werden, bevor ein Durchkommen
möglich ist. Alles sehr positive Aussichten!
Als wir dann endlich durchfahren
durften, wussten wir auch, wieso der Tunnel zerstört worden war: Es
handelte sich lediglich um einen Rohbau eines Tunnels! In einer
großen Kolonne fuhren wir durch ein dunkles Loch, über uns wurde
geschweißt, neben uns gehämmert und gegraben. Auch die Wände und
der Boden waren nicht fertig. So stellte sich der Weg mehr als
Abenteuerritt heraus. Als wir dann nach 11 Stunden endlich ankamen
wollten wir nur noch essen und schlafen. Am nächsten Tag starteten
wir ein Wanderung – natürlich im Regen! Wir entdeckten kleine
Dörfer und eine wunderschöne unberührte Natur. Nach vier Stunden
im Regen hatten wir keine Lust mehr und waren durch bis auf die
Knochen. Promt in diesem Moment kam das erste Auto die Straße
entlang, das uns wieder mit in den Hauptort nehmen konnte. Am
Nachmittag beschlossen wir dann, mit einem Laster zu einem
wunderschönen Wasserfall zu fahren. Die Fahrt dauerte vier Stunden
durch Geröll, Schlamm, Wasser und natürlcih auf engen Straßen –
rechts hohe Berge, links der Abhang. Aber die Fahrt lohnt sich trotz
anhaltendem Regen und nebenverhangenen Aussichten. Den Tag darauf
starteten wir erneut eine Wanderung in den Norden des Tals. Den
ganzen Tag (bei Regen natürlich) liefen wir durch kleine Dörfer,
den Fluss entlang und genossen die Aussichten.
Dann war unser Urlaub auch schon vorbei
und wir mussten den Rücktritt wagen. Am Abend zuvor erfuhren wir,
dass der Tunnel nun wieder gesperrt sei und wir außen herum fahren
müssten. So schworen wir uns, nur in einen Truck einzusteigen, das
sei wesentlich sicherer. Leider funktionierte auch das nicht, da der
einzige Truck, der an diesem morgen fuhr, bereits voll war. Also
wieder in einen Minibus. Doch natürlich sollte es dabei nicht nur
bleiben. Der Siebensitzer wurde aufgrund des großen Andrangs an
Rückreisenden restlos überfüllt. Unser Gepäck landete auf dem
Dach, damit ein weiterer Fahrgast auf einem Campingstuhl, ein zweiter
im Kofferraum mitfahren konnten. So starteten wir unseren Horrortrip.
Unterwegs mussten wir viele Male aussteigen, um den Bus anzuschieben.
Durch Schneemassen, Wasserfälle (schließlich war Tauwetter
angesagt) und dichten Nebel waren wir mehrere Stunden unterwegs –
wieder eine Seite hohe Berge und Schnee, andere Seite ein tiefer
Abhang. Irgedwann gewöhnten wir uns dann an das hin und her
rutschen, das hochspringen in einer Pfütze, den dichten Nebel und
die Kälte und genossen die schöne Aussicht in 3000 Metern Höhe.
Schließlich kommt man in dieses Tal nicht allzu oft – nun beginnt
die Regenzeit, dann wird es immer gefährlicher und im September oder
Oktober verhindert der Schnee erneut ein Durchkommen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen